Bei «FHM» auf Platz 98 der «Sexiest Women of the World»
Andrej Pejic ist ein Verwandlungs- künstler. Bei Männerschauen ist er meist das einzige Model, das feminin wirkt. Bei Frauenschauen wirkt er durch und durch weiblich, aber nicht weibisch. Ein grosser Unterschied. Männer, die Frauenkleidung tragen, sind ja normalerweise kein Ausbund an Verführung. Doch bei Pejic, der in der Schweiz bei Zineta Blanks Agentur Visage unter Vertrag steht, haftet dem Geschlechterwechsel nichts Lächerliches an. Im Gegenteil: Sein Auftritt ist vor allem eines - ästhetisch. Und natürlich auch ziemlich erotisch. Dieser Meinung sind auch die Leser des Männermagazins «FHM», die ihn kürzlich unter die «100 Sexiest Women in the World 2011» wählten. Eine der schärfsten Beautys der Welt ist also ein Beau.
Seinen ersten grossen Auftritt hatte er an den diesjährigen Haute-Couture-Schauen von Gaultier in Paris. Dieser wurde als echte Sensation gewertet, gilt doch die Haute Couture als Königsdisziplin, nicht nur für die Designer, sondern auch für die auserwählten Models. Es ist auch kein Zufall, dass gerade das Enfant terrible der Modeszene, Jean-Claude Gaultier, auf das androgyne Model setzte, liess er doch in der Vergangenheit die nicht gerade stromlinienförmige Sängerin Beth Ditto über den Laufsteg gehen. Aber im Gegensatz zur schwergewichtigen Ditto handelt es sich bei der Wahl von Pejic nicht nur um ein provozierendes Statement. Mit seinem wandelbaren und Unisex-Look verkörpert er eine wichtige Strömung in der Modeindustrie. Und wenn Pejic mit weiblichen Models wie Karolina Kurnikowa posiert, wird es schwierig zu entscheiden, welche der beiden Beautys attraktiver ist. Höchstens seine Schuhgrösse 44 unterscheidet ihn von seinem weiblichen Gegenüber. Seine Traummasse 91-76-91 tun es nicht, er ist der Liebling der Branche. Pejic modelt zusammen mit Kurnikowa für Gaultier. Marc Jacobs setzt ebenfalls auf ihn. Und seine Modefotos erschienen in verschiedenen europäischen Ausgaben der «Vogue».
Mit der Haute-Couture-Show von Gaultier sei für ihn «der Traum eines kleinen Mädchens» wahr geworden, sagt Pejic der SonntagsZeitung. Oder etwas direkter und weniger ladylike meint er: «Ich dachte, dont f...k it up!, als ich hörte, das ich für Gaultier laufen darf.»
Seine feminine Seite habe er bereits als Vierjähriger entdeckt, als er in die Kleider seiner Mutter schlüpfte. «Barbie war meine Ikone.» Geboren wurde Pejic in Bosnien als Sohn einer serbischen Mutter und eines kroatischen Vaters. Nach dem Ausbruch des Krieges flüchteten die Eltern nach Serbien, acht Jahre später zog die Familie in einen Vorort von Melbourne. Obwohl er sich in seiner Art und in seinem Look von den Gleichaltrigen unterschied, wurde er nie ausgelacht, seine Kindheit sei frei und glücklich gewesen. Aber natürlich sei es nicht einfach gewesen, «wenn man aufwächst und die kulturellen Unterschiede zwischen Frauen und Männern spürt und dass die Leute erwarten, dass man sich an die Regeln des eigenen Geschlechts hält». Über seine Entdeckung als Model kursieren die verschiedensten Varianten. «Ich bin von einem berühmten Mann angesprochen worden, als ich Cupcakes in einem Geschäft gekauft habe», sagt er. Dieser habe zu ihm gesagt: «Geniess den Kuchen, es wird der letzte sein, den du essen wirst.»
Nach anderen Medienberichten ist Pejic wahlweise auf dem Markt in Melbourne von einem Modelscout angesprochen oder auf dem Flughafen entdeckt worden. «Ich werde so oft gefragt, wie ich entdeckt wurde - da variiere ich etwas, um die Sache interessant zu halten», sagt er. Und «die Sache» ist interessant.
Auch um sein Privatleben, insbesondere die Frage, ob er Männer oder Frauen liebe, ranken sich Gerüchte. Er hat schnell gelernt, dass es für das Image gut ist, sich etwas geheimnisvoll zu geben. Privat trägt er sowohl Männer- wie auch Frauenkleidung, was in der heutigen Zeit aber ebenfalls nichts Besonderes ist. Wenn er nicht als Model arbeite, liebe er «casual, aber modische Kleider, am liebsten in Schwarz». Etwas modemutiger wird er, wenn es dunkel wird: «In der Nacht kann es ruhig ein bisschen verrückter werden. Ich liebe Pelze, Federn und starke Farben.» Dass er durchaus über eine gewisse Selbstironie verfügt, bewies er, als er kürzlich in einem Interview sagte: «Als Frau gut auszusehen, ist wesentlich günstiger. Gute Männerkleidung ist sehr teuer.»
Dass er als Grenzgänger zwischen den Geschlechtern einen solchen Erfolg hat, erstaunt ihn aber selber. Die Anfänge als Model seien nicht einfach gewesen, aber da sein Auftreten auch seiner wahren Orientierung entspreche, sei die Situation für ihn natürlich. «Wissen Sie, <I was born this way>.» Was Lady Gaga über sich singt, gilt also auch für Pejic. Er ist eben so geboren.
Publiziert am 12.06.2011
von: sonntagszeitung.ch
http://www.sonntagszeitung.ch/suche/artikel-detailseite/?newsid=179666
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